Tag 8 | Es braucht etwa 1,5 dl an Stammzellen für meine Transplantation. Diese werden mittels einer Zentrifuge innert 5 – 6 Stunden aus meinem Blut herausfiltert. Pro Kilo Körpergewicht braucht es mindestens zwei Millionen Stammzellen. Reicht ein Durchgang nicht, folgt ein zweiter am darauffolgenden Tag. Sind genügend Stammzellen vorhanden, werden diese in ein externes Spital gebracht und bei einer Temperatur von -200° Celsius aufbewahrt.

Die Blutstammzellen werden geerntet

Tag 8, 17. März, Di

Gleich um 7.30 ging es los, die Pflegefachfrau klopfte an die Tür und stellte ein grosses Gerät auf Rollen, eine Zentrifuge, in mein Zimmer, Ich lag immer noch schlaftrunken und ein bisschen benommen im Bett. Sie verschwand für eine Weile im Korridor, kam zurück und verband mit einem dünnen Schlauch meinen Halskather mit der Maschine. Dr. Fedorenko kam herein und erklärte mir das Prozedere: «Während rund 5 – 6 Stunden läuft Ihr Blut zwei Mal durch die Maschine und Ihre Stammzellen werden in diesem Plastikbeutel gesammelt. Danach kontrollieren wir, ob wir genügend Stammzellen haben. Ist dies der Fall, dann reicht ein Durchgang. Sonst machen wir morgen einen zweiten Anlauf. Wenn Sie etwas brauchen sollten, dann klingeln Sie der Pflegefachfrau. Haben Sie noch Fragen?“

Dr. Fedorenko schaltete die Maschine ein, verabschiedete sich freundlich und zottelte aus dem Zimmer. Ich hörte die Maschine zuverlässig und beruhigend Brummen. Ähnlich einem leise eingestellten Ventilator.

Es ging nicht lange und die Pflegefachfrau kam mit dem Frühstück in mein Zimmer rein. Auf meinem Oberkörper strich sie sorgfältig ein Handtuch aus, stellte eine Schüssel mit dem allmorgendlichen Porridge darauf und löffelte mir seelenruhig diesen ein und strich anschliessend ein paar Brote mit Scheibenkäse. Nach dem Essen des Frühstücks nahm sie die Reste mit und verliess mein Zimmer.

Weil es mir langweilig war, nahm ich mein Handy hervor, hörte etwas am Schweizer Radio über den Lockdown und liess mich anschliessend von sanfter und wohlklingender Pianomusik berieseln. Viel bekam ich gar nicht mit. Ab und zu kräuselten sich meine Oberlippen oder die Füsse kribbelten. Das war alles.

Bis ca. 13.00 lag ich so auf dem Bett. Mein Hinterteil tat mir langsam weh vom langen Liegen, bis endlich Dr. Fedorenko kam und meinte: «So ich denke das reicht! Ich gehe kurz mal schauen, ob wir genügend Stammzellen haben, ich melde mich gleich wieder. Pro Kilo Körpergewicht brauche ich mindestens  2 Millionen Stammzellen, bei Ihnen wären das dann mehr als 160 Millionen.»

Nach einer Stunde kehrte er zurück, nahm seine beiden Hände in meine und sagte freudestrahlend: «Gratuliere – gut gemacht! Wir haben genügend Stammzellen! Sehr gut!»

Meine aufgefangenen Stammzellen wurden  in ein anderes Spital gebracht, um sie dort bei -200°Celsius in einen Spezialbehälter zu kühlen.

Als der Dr. Fedorenko das Zimmer verliess, zog mir die Plegefachfrau mir den Schlauch vom Halskatheter ab und verabreichte mir gleich anschliessend eine Infusion Steroide.

Gegen 20.00 wurde mir der überdimensionierte Doppelkatheter gezogen – der mich an einen Blumenstrauss erinnerte, der für die Entnahme der Stammzellen nötig war. Nur der obere, sichtbare Teil, wurde entfernt. Der untere, unsichtbare Teil, blieb im Körper für die Chemotherapie und andere Medikamente stecken.

Auch ganz wichtig: Heute ist der irische Nationalfeiertag - der «St. Patrick's day»!

Für mich als halber Irländer ein besonderer Tag! Ein irischer Kollege mailte mir den nachstehenden, irischen Segen auf Gälisch in mein abgeschiedenes, von der Umwelt abgeschottenes  Moskauer Krankenzimmer. Diese Worte trafen mich mitten ins Herz!

Go n-éirí an bóthar leat. Go raibh an chóir ghaoithe i gcónaí leat. Go dtaitní an ghrian go bog bláth ar do chlár éadain, go gcuire an bháisteach go bog mín ar do ghoirt. Agus go gcasfar le chéile sinn arís, go gcoinní Dia i mbosa a láimhe thú.

Good luck on your road. May the wind always be with you. May the sun softly bloom on your forehead, that the rain will gently soften your field. And until we meet again, that God may keep you In the Palm of his hand.

Viel Glück auf deinem Weg. Mag der Wind immer mit dir sein. Mag die Sonne sanft deine Stirne wärmen. Dass der Regen freundlich dein Feld benetzt. Und bis wir uns wieder treffen, dass Gott dich in Seiner Hand Wohl behüten wird.

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Kommentare

  1. Lieber Markus
    So wie dich der irische Segensspruch mitten ins Herz getroffen hat, so tief hat uns heute dein Telefon aus Moskau berührt. Dass Du die Kraft hattest, am zweiten Tag der Chemo-Therapie ins Emmental zu telefonieren, hat uns fast sprachlos gemacht. Wir sassen am Zmorge, als du angerufen hast. Für uns ist in diesem Moment eine riesengrosse Sonne aufgegangen! Machs gut, lieber Freund, unsere guten Gedanken begleiten dich an jedem neuen Tag. Ruth und Hans

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